"Eigentlich ist doch alles halb so
schlimm. Eigentlich hat
doch alles sein Gutes. Und wäre das damals alles nicht passiert...
Besser wäre es bestimmt nicht! Na, bis auf die kleinen Problemchen
vielleicht... Aber - haben wir die nicht alle?!"
Jeder kennt solche kleinen selbstbetrügerischen
Monologe, die die
quälenden Fragen ans eigene Leben - vorzugsweise an verkaterten
Morgen
oder langweiligen Wochenenden - vertreiben sollen. Solche Betrachtungen
der eigenen gelebten Jahre sind oft allzu lausig. Besser man rafft sich
auf, trinkt Kaffee. Neuer Tag - neues Glück. So machen´s
alle,
wenn sie nicht verrückt werden wollen. Oder?
"Corriger la fortune" schreibt Kalaman deshalb in der
Galerie Urs Meile
in spiegelnder Schrift an die Wand: Das Schicksal 'korrigieren' und
dabei
ein bisschen gerade biegen, das ist ein seltsames Motto und zugleich
eine
umgangsprachliche Bedeutung für "betrügen" oder "schummeln".
Die Formulierung ist freundlich und scheint genau jene
Selbst-Tröstungen
in sich zu begreifen, mit denen wir uns alle ein bisschen an der Nase
herumführen,
wenn wir auf unser eigenes Leben schauen. Hätte nicht - wie
gedacht
- alles noch viel schlimmer kommen können?
Kalaman, der Philosoph! Seine Botschaft: Das, was einem
widerfährt,
wohlwollend in ein großes, gutes, schillernd-glitzerndes
Gefühl
einordnen. Sich dem schönen Schein hingeben. Auch das ist
Kunst.
Der in uns allen verborgene Naivling findet hier seine
adäquate
Würdigung. Es ist der Teil in uns, der lieber lacht und sich
über
sich selbst erfreut, als auf dem schwankenden Boden des Zweifels ins
Rutschen
zu geraten. Es ist der Anti-Tragiker, das große Kind, das nicht
mit
dem Schicksal hadert, sondern - wie wagemutig! - die großen
Lebensaufgaben
und -fragen als Spiel zu deuten sucht.
Kalaman, seit längerem dem Phänomen des
Glücks auf der
Spur, hat dieses Talent in der Figur des Grimmschen "Hans im
Glück"
für sich entdeckt: Sieben Jahre hat der bei seinem Herrn
gearbeitet
und trägt nun als Lohn einen Klumpen Gold nach Haus zu seiner
Mutter.
Das Gold ist groß wie sein Kopf und unendlich schwer, da tauscht
er ihn lieber gegen ein Pferd, das mit seinem Reiter des Weges kommt.
Das
Pferd wiederum tauscht er alsbald gegen eine Kuh - schließlich
könne
er ja mal Durst bekommen. Und wieder freut sich Hans seines Lebens
über
den Coup. Die Kuh tauscht er trotzdem weiter gegen ein Schwein und
steht
am Schluss nur mit einem alten Wetzstein da. Der aber fällt ihm in
einen Brunnen. Hans reagiert, wie es niemand von uns tun würde: Er
ist ganz und gar erleichtert und läuft nun heim.
Tausch ist deshalb das zweite große Thema der
Ausstellung. Kalaman
interpretiert das Märchen, indem er typische Gegenstände des
Tausches wählt. -
Nichts bleibt, es sei denn es wandelt sich, wussten schon die alten
Griechen. Und die großen Reflexionen, die ins Reich von Wahrheit
und Tragik führen - so wichtig sie sind - haben noch keinem das
Glück
vom Himmel geholt. Das macht schon das Leben selbst - mit seinem
Aus-Tausch,
seinen kleinen Begegnungen und Genüssen und all den
zugehörigen,
überall lauernden großen und kleinen Gefühlen.
Hans, zum Beispiel, denkt über gar nichts nach und
wird entsprechend
betrogen. Die Bosheit der anderen aber kann ihm nichts anhaben, denn
wie
kein anderer fühlt er die aufgeregte Freude des flüchtigen
Moments.
Und am Ende spürt er nur noch Leichtigkeit und ist fast schon
Zuhause.
Ihm bleibt sein gutes Gefühl.
Man fragt sich schließlich: Ist denn die
'Schicksals-Interpretiererei'
die eigentliche Qual - viel schlimmer als Kummer und Leid? Und man
denkt
sich: Wer verliert, gewinnt auch. Wer gibt, bekommt. - Der Verlust des
Geliebten bringt das neue Gefühl der Freiheit. Der Job, der
platzt,
macht den Weg frei für andere, spannendere Erfahrungen. Der Mangel
an Geld setzt Phantasie und Kreativität in Gang. Oder - ist das
auch
nur das Spiel des schönen Scheins?
Margarete Hucht
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"Actually it is not as bad as all that".
Actually there
is always a good side to it too. If all that hadn't happened...
Certainly
it wouldn't be better! Well, except these small problems maybe...But
don't
we all have small problems?!
Everybody knows these small self-deceiving monologues
with the intention
of driving away the tormenting questions regarding our proper life -
especially
during boring week-ends and mornings with bad hung-overs. These
contemplations
of the proper past results often very lousy. It is better to get up and
have some coffee. New day - new luck. We all do it like that if we
don't
want to get mad, don't we?
This is the reason why Kalaman writes "corriger la
fortune" (to correct
the destiny) in a reflecting writing on the wall of the galery Urs
Meile.
To 'correct' the destiny and to adjust it a little bit - this is the
strange
motto and at the same time the familiar meaning for "swindling" or
"cheating".
The formulation is friendly and seems to understand exactly these
self-consolations
which we often use when we lead oursleves to the garden path while we
are
contemplating our own life. All could have been even worse,
couldn't
it?
Kalaman - the philosopher! His message: To sort
everything what happens
into a big, shining and glittering feeling. To dedicate himself to the
beautiful appearance.This is also art.
The simpleton which is disguised in ourselves does find
here the appropriate
recognition. It is this part in us which prefers to laugh, enjoying
itself
instead of starting slipping on the trembling ground of doubt. It is
the
anti-tragedian, the big child, who does not quarrel with the destiny,
but
- how daring - tries to interprete the big tasks and questions
regarding
life as a game.
Kalaman - looking since quite a while for the phenomenon
of luck - discovered
this talent in the figure of "Hans im Glück" of the Grimm brothers
for himself. Hans worked seven years for his master and now he is on
his
way home to his mother with his remuneration - a lump of gold. The lump
of gold is as big as his head and very heavy and therefore he
prefers
to exchange it against a horse coming along with its horseman. But a
few
time later he changes the horse against a cow - because he could get
thirsty.
And Hans is happy about his deal. But later he changes the cow against
a pig and finally the pig against an old whetstone. But the whetstone
falls
into a well. Hans reaction is completely different from what everybody
would expect: He feels relieved and goes home.
Exchange therefore is the second big subject of the
exhibition. Kalaman
interprets the fairytale by choosing typical objects of exchange.
Nothing remains as it is, unless it is subject to change - already
the old greeks were aware of that. And the big reflexions leading into
the empire of truths and tragedy - as important as they are - did never
fetch the luck from the sky until now. Life itself is doing this - with
its exchange, its meetings and its pleasure and the accompanying, big
and
small feelings.
Hans for example does not reflect things and has been
cheated. But the
malice of the others does not harm him because he is feeling - as
nobody
else - the exciting joy of the short moment. And at the end he only
feels
easiness and he almost is at home. His good feeling remains.
Finally we have to ask ourselves: Is the interpretation
of the destiny
the real torture - even worse than real worries and sorrow? And it is
like
that: If someone looses something, he does also win at the same time.
Somebody
who gives something also receives something. The loss of the lover
incorporates
the new feeling of liberty. The job which we do not receive gives us
the
possibility to make other exciting experiences. A lack of money allows
more creativity. Or is this also nothing else but the game of the
beautiful
appearance?
Translation: Astrid Krey
Installation
Galerie Urs Meile CH - Luzern
26.05. - 15.06.2000
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